„Ich sollte mal ein richtig guter Sozialist werden – das hat nicht geklappt“, eröffnete Manuel Bauer seinen Vortrag. Stattdessen wurde er Neonazi. Doch nach 13 Jahren gelang ihm der Ausstieg. Er möchte seine Geschichte erzählen. Von dem kleinen Jungen, der antikapitalistisch erzogen wurde, mit seiner Familie in der DDR wohnte und anfangs eigentlich nur ein Mitläufer war. Aber auch von dem jungen Mann, der 13 Jahre lang aktiver Neonazi war, der Menschen schlug, verprügelte und misshandelte, nur weil sie ihn schief anguckten. Und von dem Mann, der er heute ist: Ein Aussteiger, der unter ständiger Gefahr lebt, und anderen dennoch von der Szene erzählen möchte. Im Auftrag von „Exit Deutschland“ und mit Unterstützung von BUNTerLEBEN besuchte Bauer nun zwei Tage lang die Singbergschule Wölfersheim. Doch er hielt keine gewöhnliche Unterrichtsstunde für die Schüler. Sie hörten Wörter und Geschichten, die im normalen Geschichtsunterricht wohl nicht verwendet werden. Doch Bauer sagte deutlich: „Ich möchte nicht zurückhaltend reden – die Szene ist auch nicht zurückhaltend.“ Bauer erklärte, wie er durch Musik zu Gewalt angestachelt wurde. Er gab den Schülern auch einen Einblick in die Strategie von rechtsradikalen Netzwerken. Durch Videos in sozialen Netzwerken locken sie Jugendliche an. „Denn zunächst werben sie mit Werten, denen jeder zustimmen würde: Gegen Tierquälerei, gegen Umweltverschmutzung, gegen Vergewaltigung“, so Bauer. Erst im zweiten Schritt kommen die wahren Ziele ans Licht. Seine Botschaft gegen Rassismus und Intoleranz ist eng verbunden mit einem zweiten Problemthema: Mobbing. Denn, so Bauer, jeder möchte Freunde haben. „Und eines ist klar: Freunde und Zusammenhalt bieten solche Netzwerke auf jeden Fall.“ Deshalb werden konkret Mobbingopfer ausgesucht. Auch Bauer war damals egal, wer Opfer seiner Gewalttaten wurde: „Wenn kein Jude, Türke oder Schwarzer da war, dann hab ich mir an den anderen Leuten eben etwas rausgesucht, was mir nicht gefallen hat. Dann habe ich mir einen Grund gesucht wütend und aggressiv zu werden.“ Bauer musste die Konsequenzen seines Handelns tragen. Er saß im Gefängnis. Es brauchte mehrere Vorfälle innerhalb der Szene, bis er den endgültigen Austritt wagte. Vier Jahre dauerte es, bis er mithilfe von „Exit Deutschland“ draußen war. Seine wichtigste Erkenntnis: „Wenn man sich mit der Ideologie nicht auseinandersetzt, ist man nicht wirklich ausgestiegen.“ Auch Anneki Muetze, Lehrerin an der Singbergschule war begeistert von dem Vortrag: „Er hat auf jeden Fall Denkprozesse angeregt und seine Geschichte ist unter die Haut gegangen. Wir werden das Gehörte im Unterricht natürlich noch aufarbeiten.“ Eines wollte Manuel Bauer aber noch klar stellen: „Für alles, was ihr gehört habt: Ich war mal so, aber ich bin es nicht mehr.“ Weitere Impressionen der "Unterrichtsstunde" gibt es auf der Homepage der Singbergschule. zurück